Am 3. Juli 1933 ereignete sich auf der Zeche General Blumenthal in der Aufarbeitungsanlage des Übertagebetriebes eine Kohlenstaubexplosion. Zwölf Bergleute kamen dabei ums Leben. Recklinghausen war tief erschüttert von diesem „furchtbaren Unglück wie wir es in diesem Ausmaße seit vielen, vielen Jahren nicht mehr erlebt haben.“ Ähnlich der Katastrophe am Vorabend des „Tages der nationalen Arbeit“ im selben Jahr auf der Zeche „Mathias Stinnes“ in Karnap, so wurde auch das Recklinghäuser Zechenunglück in der Sprache der gleichgeschalteten Presse zu „einer Sache der ganzen Nation“.
Feier 7. Juli 1938
Mit umfangreichen Vorbereitungen gestalteten die Nationalsozialisten die Begräbnisfeier für die Bergleute zu einer Massenveranstaltung mit dem Charakter eines Staatsbegräbnisses. Dies geschah bewusst in einer Situation, in der alle Organisationen der Arbeiterbewegung, gleich welcher politischen Richtung, zerschlagen worden waren. Jetzt kam es den Nationalsozialisten darauf an, das Vertrauen der Arbeiterschaft mit groß angelegten Propagandakationen zu gewinnen.
Geschickt verstanden es die Ideologen der NSDAP, im Bergmannsberuf das „Heldische“ der Arbeit zu sehen, anders als die Kommunisten und Sozialdemokraten, die eher den Leidens- und Ausbeutungsaspekt hervorgehoben hatten. Sie verfehlten die Wirkung nicht, wenn sie Arbeitsstolz und Schwere der körperlichen Arbeit betonten, die so wichtig war für die „Volksgemeinschaft“. So erklärten die NS-Propagandisten selbst den Friedhof zur politischen Bühne und funktionierten die Trauerfeier zur Parteidemonstration mit Uniform und Fahnen um. Zur Trauerfeier am 8. Juli waren wichtige Vertreter von Partei und Behörden erschienen: Baldur von Schirach, Reichsführer der deutschen Jugend (sechs Jungknappen waren getötet worden), Regierungspräsident Mathaei und viele andere. Die Redner gefielen sich in den Wortschöpfungen der „nationalen Revolution“ und verwiesen darauf, dass die Bergleute „für das Vaterland“, „im Opfersinn der Gemeinschaft“, als „Soldaten des deutschen Arbeitsheeres“, auf dem „Felde der Ehre der Arbeit“ gestorben seien, dennoch hätten sie „den Anbruch der neuen Zeit gesehen“. Die Leistung des einzelnen ging damit ein in die große Sache der „Volksgemeinschaft“.
Die ideologische Kunstfigur der Volksgemeinschaft gewann eine große Attraktivität. Sie sollte den „zermürbenden Klassenkampf“ der Weimarer Republik ersetzen und bildete die neue Identifikationsmöglichkeit, die der Nazistaat seinen Bürgern als Ersatz für den Verlust der Freiheit und der politischen und gesellschaftlichen Einflussnahme bot. Die hohe Bedeutung, die nun plötzlich dem Arbeiterstand zukam, war auch durchaus nicht bloße Rhetorik, denn die Zustimmung der Arbeitermassen zu den hochgesteckten Zielen des Nationalsozialismus war Voraussetzung für den Erfolg seiner Politik. Durch die Erhöhung des Sozialprestiges sollte mindestens Loyalität erzeugt werden, denn eine Situation wie in der Novemberrevolution, in der Arbeiter- und Soldatenräte das alte Kaiserreich zu Grabe trugen, durfte sich keinesfalls wiederholen. Und in der Tat haben nationalsozialistische Propaganda und Terror in diesem Punkt ganze Arbeit geleistet.
Leider blieben die Recklinghäuser Zechen von weiteren Unglücken nicht verschont. Fünf Jahre später, am 2. Juli 1937, forderten schlagende Wetter, ausgelöst durch Schießarbeit Untertage 15 Tote, und zwar wieder auf General Blumenthal auf der 700-Meter-Sohle im Flöz „Gretchen“. Der Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront, Dr. Robert Ley und Gauleiter Dr. Alfred Meyer führten den Trauerzug an. Ley meinte am Grab der Bergleute: „Nun geht ein in die große Armee! Das war der letzte Appell! Grüßt uns alle Toten, die für Deutschlands Größe gefallen sind im Laufe der Jahrtausende. Ein Volk, das leben will, wird immer Opfer bringen müssen. Und Ihr Angehörige, paart Euren Schmerz mit dem Stolz: Sie sind gefallen für Deutschlands Größe, damit wir leben können.“
Feier 7. Juli 1938
Nach dem schweren Unglück von 1937 entschloss sich die Zechenleitung von „General Blumenthal“, den verunglückten Bergleuten ein Grabdenkmal zu errichten, damit die „Namen der toten Arbeitshelden nicht nur im Gedächtnis der nächsten weiterleben.“ Ein „Künstler des Ruhrlandes“, der Essener Bildhauer R. Propf, wurde mit der Schaffung des Denkmals beauftragt. Die Toten der Katastrophe von 1933 wurden auf dem Friedhof umgebettet und fanden neben ihren toten Kameraden von 1937 ihre letzte Ruhe. Dadurch wurde eine geschlossene Gestaltung des Grabdenkmals auf dem Nordfriedhofs ermöglicht. Zwei halbhohe Mauerabschlüsse tragen die Namen der Toten, dahinter erhebt sich das Denkmal, drei trauernde Bergleute, auf einem Sockel aus gebrannten Ziegeln. Ein Jahr nach der letzten Katastrophe wurde das Denkmal im Rahmen einer Trauerfeier am 7. Juli 1938 auf dem Nordfriedhof eingeweiht. Wieder versammelten sich nach fest eingeübter Feierordnung ein Ehrensturm der SA, Ehrengäste der Partei, der Wehrmacht, Vertreter der Hibernia AG und der Behörden sowie die Angehörigen der Verstorbenen. NSDAP-Kreisleiter Böhnert meinte: „Die Toten mahnen uns, gleich ihnen in Treue unsere Pflicht zu tun, und sei es auch, dass wir diese Treue mit dem Leben bezahlen müssen.“
[Vgl. 2.14 „Opfertum und Heldenmut“. Bergwerksunglücke und Nazipropaganda (Denkmal für verunglückte Bergleute, Nordfriedhof), in: Geck, Möllers, Pohl, "Wo du gehst und stehst…", Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933 bis 1945, S. 85-87]