3.02 Das Kino als Propagandainstrument

Die Nationalsozialisten hatten die Bedeutung der modernen Massenmedien für ihre Propagandazwecke früh erkannt. Wie beim Rundfunk, dem für Goebbels „allermodernsten und allerwichtigsten Massenbeeinflussungsinstrument“, der besonders in der Kriegszeit seine Funktion, im nationalsozialistischen Sinne zu „informieren“, von den Alltagssorgen abzulenken und den Durchhaltewillen zu stärken, unter Beweis stellen musste, so diente auch der deutsche Film diesen gleichen Zwecken.
In einer Scheune, die ab 1901 der „Bäuerlichen Bezugs- und Absatzgenossenschaft“ als Warenlager diente, wurde am 27. März 1909 das „Kino-Theater“ in der Kunibertistraße eröffnet, später in „Central-Theater“ umbenannt, bis es dann ab 19. September 1930 „Kammer-Lichtspiele“ hieß.

Geschäftsführer war Hermann Stern, ein mit seiner protestantischen Frau 1919 von Berlin nach Recklinghausen gezogener Bürger jüdischen Glaubens. Stern verlor nach der Machtergreifung der Nazis seine Beschäftigung und wurde nach der Pogromnacht 1938 vorübergehend wegen seiner „Mischehe“ in Haft genommen. Aus der Konzentrationslagerhaft 1944/45 kehrte er erblindet nach Recklinghausen zurück.

Die Kammer-Lichtspiele zeigten sowohl die großen Spielfilme jener Zeit wie „Die Geierwalli“ mit Heidemarie Hatheyer, „Ohm Krüger“ mit Emil Jannings und Gustav Gründgens oder „Schwarze Rosen“ mit Willy Fritsch, Willy Birgel und Lilian Harvey, als auch Propagandafilme wie „D III“, einen Großfilm der deutschen Luftwaffe, oder „Feuertaufe“, ein Film über den Einsatz der Luftwaffe in Polen.

Am 10. März 1942, kurz nachdem die Abendvorstellung beendet war, zerstörte ein Bombenangriff der Alliierten das Kino. Im Mai 1943 wurden das Kino und das Nachbarhaus der Wirtschaft Krüsemann, das bei Bombenangriff ebenfalls zerstört wurde, abgerissen. Am 24. Juli 1942 konnte der Kinobetrieb im Saal des Hotels Liebings mit dem Film „Der große König“ wieder aufgenommen werden.

Das Kino an der Kunibertistraße ist aber nicht nur eine Stätte der Verfolgung und Kriegszerstörung. Es ist auch, gemeinsam mit den drei anderen damaligen Lichtspielhäusern der Innenstadt, dem Apollo (Am Markt 2), dem Odeon (Breite Straße 16) und der Schauburg (Dortmunder Straße 1) eine Stätte der Herrschaft, in diesem Fall nicht der direkten Ausübung von Herrschaft, sondern von organisierter Indoktrination mit dem Ziel, die Menschen an die Ideen des Nationalsozialismus heranzuführen.

Die Filmproduktion des sogenannten Dritten Reiches hinterließ etwa 1100 Spielfilme, wovon allerdings die wenigsten künstlerische Qualität erlangten. Einige dieser über tausend Spielfilme hatten einen ausgesprochen propagandistischen Charakter, während der größte Teil nicht als Propagandafilme zu bewerten ist. Allerdings sind sie auch wiederum alles andere als harmlos. Das verwundert nicht, denn Goebbels hatte neben dem Radio, das als „Volksempfänger“ preisgünstig in die Haushalte kam, auch den Spielfilm und alle Bereiche des kulturellen Lebens in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda gestellt. Am besten schien ihm dabei jene Propaganda, die sich unmerklich ins Bewusstsein der Menschen schlich: „Nicht das ist die beste Propaganda, bei der eigentliche Elemente der Propaganda immer sichtbar zu Tage treten, sondern das ist die beste Propaganda, die sozusagen unsichtbar wirkt, das gesamte öffentliche Leben durchdringt, ohne dass das öffentliche Leben überhaupt von der Initiative der Propaganda irgendeine Kenntnis hat.“ Für die eindeutigen Propagandafilme, die etwa 10 %  der gesamten Filmproduktion ausmachten, wurden die besten Techniker (Kamera, Montage) eingesetzt, ebenso ab 1939 für die „Wochenschauen“, die, nach den Spielfilmen gezeigt, das Kriegsgeschehen verklären sollten. So wurde am 19.4.1940 in der „Kammer“ nach dem Film „Angelika“ mit Olga Tschechowa und Albrecht Schoenhals die Besetzung Dänemarks und Norwegens gezeigt.

Die Machtfülle des Propagandaministers war so groß wie sein propagandistisches Geschick. Über die „Fachschaft Film“ verfügte er über vorzügliche Schauspieler, deren Beliebtheit selbst die künstlerisch und inhaltlich flachsten Streifen dem Publikum schmackhaft machten, zumal sich auch hinter einer vermeintlich unpolitischen Zelluloid-Idylle von den Nationalsozialisten so geschätzte „deutsche“ Tugenden wie Disziplin, Treue, Freude an der Arbeit, Beharrlichkeit und Durchhalten, Kinderreichtum, Familie, Heimat und Nation verbargen, auch das ein Ziel der unsichtbaren Propaganda. Die Schauspieler standen unter solchen Bedingungen unter großem Druck und hatten selten die Möglichkeit unter Filmangeboten auszuwählen oder auf sie Einfluss zu nehmen.

Dass auch die Propagandafilme ein Millionenpublikum erreichten, beweist der Film „Jud Süß“, der bis 1943 20,3 Millionen Besucher erreichte und damit an große Unterhaltungsfilme heran reichte: „Wunschkonzert“, 26,5 Millionen, „Der große König“ 18,6 Millionen. Der 1942 uraufgeführte Film „Die große Liebe“ mit Zarah Leander erreichte 27,4 Millionen Zuschauer. Der Ohrwurm „Es wird einmal ein Wunder geschehen“ mag für viele nach der Kriegswende 1941/42 vor Moskau bereits als ein Zeichen aufgefasst worden sein, allerdings verdrängten solche Schlager und Filme aber auch den Aderlass des deutschen Films mit seinen vertriebenen Stars wie Marlene Dietrich, Elisabeth Bergner, Oskar Homolka oder Peter Lorre und Regisseuren wie Fritz Lang, Billy Wilder, G. W. Pabst, Otto Preminger, die in Hollywood zu Weltruhm gelangten.

[Vgl. 3.2 Das Kino als Propagandainstrument (Kunibertistraße 31), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…" Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 117-120]

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