Die Walter-Wenthe-Straße in Recklinghausen-Süd erinnert an den Sozialdemokraten Walter Wenthe, geboren am 8. Juli 1910 in Recklinghausen Hochlarmark. Nach der Volksschule besuchte er die städtische Gewerbeschule und erlernte das Mechanikerhandwerk. Von 1930 bis 193 war er arbeitslos und konnte ab 1932 auf der Zeche Dahlbusch in Gelsenkirchen als Schlosser Arbeit finden. In Recklinghausen war er seit 1928 in der SPD und der sozialistischen Jugend engagiert. In Gelsenkirchen, wohin er mittlerweile auch gezogen war, kam er über Rudolf Heiland, den Sohn des Marler Sozialdemokraten Guido Heiland, mit einem Zirkel der SAP, der Sozialistischen Arbeiterpartei, in Verbindung. Diese hatte sich im Herbst 1931 von der SPD getrennt. Es handelte sich um junge Sozialisten, denen die politische Strategie der SPD Anfang der 30er Jahre gegenüber der Bedrohung der Weimarer Demokratie durch Nationalsozialisten und reaktionäre Kräfte zu passiv erschien. Die Gründung der SAP beinhaltete den Versuch, die Voraussetzungen für eine einheitliche revolutionäre Organisation „der sozialistischen Arbeiterbewegung auf nationaler und internationaler Grundlage zu schaffen“ (Prinzipienerklärung der SAP 1932). Die Resonanz auf diesen Versuch bliebt aber gering.
Diese linksoppositionelle Gruppe bestand auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten illegal weiter. Während ein Teil ihrer Führer vom Ausland aus Widerstandsarbeit organisierte, trafen sich die in Gelsenkirchen verbliebenen Mitglieder in lockeren Zirkeln, in denen grundlegende Schriften des Marxismus gelesen wurden, wie „Der Ursprung der Familie“ von Friedrich Engels oder das „Kommunistische Manifest“. Vom Ausland her wurde die in vierzehntägigem Abstand erscheinende Zeitung der Linksopposition „Unser Wort“ illegal vertrieben. An einigen Aktionen der SAP hatte Wenthe teilgenommen. Er zog allerdings am 4. Januar 1935 wieder nach Recklinghausen zurück und war als Sozialdemokrat von den Positionen der SAP abgerückt. Die Gelsenkirchener Gruppe existierte noch bis zum Oktober 1935 und hielt gemeinsam mit Jungsozialisten einen illegalen organisatorischen Zusammenhang aufrecht. Es gab auch Verbindungen zu anderen Widerstandsgruppen, insbesondere zum kommunistischen Widerstand. 1935 wurde die Gruppe verhaftet und damit die Arbeit der SAP insgesamt zerschlagen. Alle, die an Aktionen oder Treffen der Gruppe teilgenommen hatten, kamen zunächst in Untersuchungshaft.
Am 24. Juli 1936 sprach der 4. Senat des Oberlandesgerichts Hamm gegen 25 Angeklagte sein Urteil. In der Anklageschrift gegen Wenthe und Heiland werden beide beschuldigt, „das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt, die Verfassung des Reiches zu ändern, vorbereitet zu haben, und zwar indem bei beiden Angeschuldigten die Tat darauf ausgerichtet war, zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhang herzustellen …“ Heiland wurde mit einer Zuchthausstrafe von 2 Jahren und sechs Monaten und Wenthe mit einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und neun Monaten bestraft. Die 25 Angeklagte erhielten 2 Freisprüche. Ansonsten erhielten sie zusammen 69 Jahre und 9 Monate Zuchthaus. Nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus blieb Walter Wenthe in Recklinghausen. Gegen Ende des Krieges wurde er von der Wehrmacht zu einer Strafeinheit eingezogen. Hermann Bogdal, sein damaliger Freund berichtet, er habe Walter Wenthe am Recklinghäuser Wehrbezirkskommando kennengelernt. Beide seien zur Strafeinheit eingezogen worden, da sie wegen ihrer antifaschistischen Gesinnung vom Wehrdienst ausgeschlossen waren. Bei Kriegsende geriet Walter Wenthe in französische Kriegsgefangenschaft und wurde trotz Kenntnis der Alliierten um seinen Widerstand in Frankreich zum Minenräumen eingesetzt. Am. 8.12.1945 wurde er in Fécamp von einer Mine getötet.
Für den Unterbezirk Recklinghausen der SPD hatte die zwölfjährige Terrorherrschaft des Nationalsozialismus schlimme Folgen. Zehn Sozialdemokraten waren ermordet worden oder aufgrund der Verfolgung gestorben. Von ihnen stammten Georg Jenal, August Kaiser und Walter Wenthe aus Recklinghausen.
[Vgl. 2.9 Walter Wenthe - „Vorbereitung des Hochverrats…“ in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…" Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 74]