Im Gebäude der städtischen Musikschule befand sich seit der Jahrhundertwende der Sitz des Landrates, der untersten staatlichen Verwaltungsinstanz in Preußen. Daneben war am Herzogswall das Kreishaus errichtet worden. Der preußische Landrat hatte eine außergewöhnlich starke Stellung innerhalb der Kreiskommunalverwaltung. Die Aufgaben, die dem Landrat neben der Polizei- und Kommunalaufsicht sowie der Polizeiverwaltung zukamen, teilten sich in verschiedene Dienststellen auf wie Kreiskasse, Kreisarzt, Kreistierarzt, Kreisversicherungsamt, Landjägermeister und Gemeindeprüfungsamt. Hinzu kamen die im Zuge der Kriegswirtschaft seit 1939 errichteten Ämter (Ernährungsamt und Wirtschaftsamt).
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden auch auf kommunaler Ebene die demokratischen Strukturen der Weimarer Republik zerschlagen. In vielen Kreisen kam es zur Ablösung der bisherigen Landräte. Der seit 1927 amtierende Landrat des Zentrums, Dr. Max Schenking, starb am 7. Januar 1933 im Alter von 45 Jahren an den Folgen einer Blinddarmentzündung. Die Nationalsozialisten konnten also problemlos diese wichtige Position neu besetzen. Das geschah allerdings nicht sofort, denn auf Drängen des preußischen Innenministers Hermann Göring beschloss das Kabinett vorzeitige Kommunalwahlen am 12.3. 1933 in der Hoffnung auf absolute Mehrheiten der NSDAP. Die bestehenden kommunalen Vertretungskörperschaften wurden mit Wirkung vom 8.2. 1933 aufgelöst. Die großen Erfolge für die NSDAP blieben aber aus, auch im Kreis Recklinghausen. Hier hatten die Wahlen für den Kreistag folgenden Ergebnis gebracht: Zentrum 13 Sitze, NSDAP 11 Sitze, KPD 5 Sitze, SPD 4 Sitze, Kampffront Schwarz Weiß Rot 3 Sitze, Evangelischer Volksdienst 1 Sitz.
Im Sinne der Gleichschaltung wurde nun auch dieses Ergebnis schnell revidiert. Mit der Rückendeckung Hitlers waren die Gauleiter bemüht, die Landratsämter mit politisch bewährten Gefolgsleuten zu besetzen. Das Führerprinzip wurde eingeführt und die Kreistage im Juli 1933 suspendiert. Die Gleichschaltung führte zu einem Grundkonflikt der Verfassungs- und Verwaltungswirklichkeit zwischen 1933 und 1945, der vor allem durch die Zersetzung einer an feste Regeln und Zuständigkeiten gebundenen Staatlichkeit durch eine sich am Führerprinzip orientierende, keinen Normen verpflichtete Herrschaft, gekennzeichnet war.
Entsprechend hoch war die Fluktuation auf dem Landratsposten, denn auf Dauer waren die Kompetenzen zwischen der nationalsozialistischen Führung, insbesondere der Kreisleitung, und dem Landrat nicht geklärt: Auf Dr. Kurt Matthaei (1933, NSDAP-Mitglied seit 1932) folgten Dr. Josef Rieth (1933 bis 1935, NSDAP-Mitglied seit 1933), Dr. Otto Ehrensberger (1935 bis 1938, NSDAP-Mitglied seit 1933), Kurt von Borries (1938, NSDAP-Mitglied seit 1933) und Dr. Hans Reschke (1939 bis 1945, NSDAP-Mitglied seit 1933). Seit Mitte der 30er Jahre baute die NSDAP die parallele Besetzung ihrer Kreisleitungen stark aus. Es entstand zunehmend ein auch sachlich ausdifferenzierter Parallelapparat zur Kreisverwaltung der Landräte. Der Kreisleiter mischte sich immer stärker in die Angelegenheiten des Landrates ein. Die Partei beanspruchte die politische und ideologische Kontrolle über das Verwaltungshandeln. Der letzte Landrat Reschke schien diese Maxime der Partei zu garantieren. Er blieb bis Kriegsende im Amt.
[Vgl. 1.3. „… ständige Überprüfung der Verwaltungshandlungen nach den Grundsätzen der NSDAP…“. Das gleichgeschaltete Landratsamt (Städtische Musikschule), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…“ , Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S.16-17]