1.18 Die Zerschlagung der christlichen Gewerkschaften

In der Martinistraße 11 befand sich bis 1933 der Sitz des Bezirkskartells der christlichen Gewerkschaft und des Gewerkvereins Christlicher Bergarbeiter. Die Mitglieder der christlich-nationalen Gewerkschaften rekrutierten sich aus dem gesamten Spektrum der nicht sozialistischen, demokratischen Parteien, vor allem aber - in Recklinghausen - aus dem Zentrum. Die christlichen Gewerkschaften verstanden sich als Standesorganisation der Arbeiterschaft. Die Solidarität der Stände bildete die Grundlage der „Volksgemeinschaft“, die ähnlich der Propaganda der NSDAP, als Schicksals- und Kulturgemeinschaft gesehen wurde. Damit war die politische Programmatik klassenübergreifend, national bestimmt und stand in ausdrücklichem Gegensatz zum Internationalismus und Sozialismus der Freien Gewerkschaften.

Die unübersehbaren Anpassungsbemühungen der Freien und der Christlichen Gewerkschaften an die Politik der Nationalsozialisten waren einzig bestimmt von der Maxime der Rettung der eigenen Organisation. Besonders die Christlichen Gewerkschaften schienen dem Pathos der „Nationalen Revolution“ zu erliegen.

Am Sonntag, dem 9. April 1933 erklärte der Gewerkschaftssekretär Heinrich Gutermuth in der Generalversammlung des Bezirkskartells der christlich-nationalen Gewerkschaft Recklinghausens, dass er in den aktuellen politischen Veränderungen durchaus eine Revolution sehe. „Tage der Revolution sind immer Tage der Unruhe, es sind Tage zerstörender Kraft. Aber es sich auch Tage des Aufbaus … Die christlichen Gewerkschaften sind ja seit ihrem Bestehen die Bewegung, die sich aus der christlichen Idee dem Klassenkampf entgegenstellte, die sich in starkem nationalen Willen dem internationalen Zug des Sozialismus entgegenstemmte.“ 

Kritisch bemerkte er: „Jede Regierung wird unsere Unterstützung finden, die deutsches Recht mutig und sicher durchkämpft. Ehre, Freiheit und Würde Deutschlands aber sind keine Sache einer Partei, sondern der ganzen Nation… Wo organische Volkskräfte zerstört werden, stürzt sich die Revolution ins Sinnlose.“ Am 5. Mai besetzte die SA die Geschäftsstelle an der Martinistraße. Die Hoffnung der christlichen Gewerkschaftsführer, nicht dasselbe Schicksal zu erleiden wie die Gewerkschaften, die sich der „Sache des Klassenkampfes“ verschrieben hatten, erfüllten sich also nicht.

Die Gleichschaltung traf den Gewerkverein christlicher Bergarbeiter am 23. Juni 1933. Er wurde von der NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation) übernommen. Für zwölf Jahre verlor Heinrich Gutermuth, der erfahrene Organisator der Arbeiterbewegung und Bezirksleiter des Gewerkvereins seine Gewerkschaftsfunktionen.

Gutermuth wurde 1898 geboren, erlernte das Schlosser- und Schmiedehandwerk, wurde im 1. Weltkrieg zweimal verwundet, arbeitete nach dem Krieg als Grubenschlosser und legte 1924 seine Meisterprüfung ab. 1926 wurde er hauptamtlicher Funktionär in Recklinghausen, wo er auch als Abgeordneter der Zentrumspartei im Stadtrat tätig war. Seine Hauptaufgaben in der Gewerkschaft waren die Bearbeitung des Betriebsrätewesens und Jugendfragen. Seit März 1931 leitete er die Bezirksstelle in Recklinghausen. Nach dem Verbot der Gewerkschaft durch die Nationalsozialisten wurde er Vertreter einer Bielefelder Bekleidungsfirma. Er nutzte seine alten Partei- und Gewerkschaftskontakte, um Stoffe für Anzüge oder Aussteuern zu verkaufen. Nach Krieg und Gefangenschaft war Gutermuth, der „eiserne Heinrich“, wie in die Bergleute nannten, führend am Aufbau der Einheitsgewerkschaft beteiligt, wurde schließlich 1956 zum 1. Vorsitzenden der IG Bergbau und Energie gewählt. Von 1964 bis 1967 war er Präsident des Internationalen Bergarbeiterverbandes. Er starb am 28. Juni 1977 in Bochum.

[Vgl. 1.16. "Der eiserne Heinrich“. Die Zerschlagung des Gewerkvereins Christlicher Bergarbeiter (Martinistr. 11), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…“ , Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 50-51]

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