Die Ursprünge der Recklinghäuser NSDAP lagen im „Verband nationalgesinnter Soldaten“ aus dem Milieu rechtsradikaler Freikorpsverbände. Als Gründer galt der damals erst 20jährige „Baltikumkämpfer“, Kaufmannsgehilfe und spätere SA-Obersturmführer Josef Kleine, der nach einer von DNVP-Anhängern gesprengten ersten Versammlung am 15.11.1922 bei einem zweiten Versuch im Lokal Schäpers am Holzmarkt knapp 40 Besucher zählte. Bald fiel die Neugründung unter das Parteienverbot der belgisch-französischen Besatzungstruppen (1923 – 25). Ludwig Knickmann aus Buer, einer der Besucher der Recklinghäuser Gründung, wurde 1923 nach Terroranschlägen gegen die belgischen Besatzungstruppen erschossen und damit zum regionalen
„Helden“ der Bewegung.
Bereits einen Tag nach dem Abzug der Franzosen wurde mit dem Reichsorganisationsleiter und Reichstags-Abgeordneten Gregor Strasser als prominentem Redner am 25.07.1925 in der Wirtschaft Bresser, Martinistraße ein Neuanfang gemacht. Bei den Reichstagswahlen blieb die NSDAP mit 259 Stimmen (1924) und 443 Stimmen (1928) eine verschwindende Minderheit.
15. Jahrestag der Gründung der NSDAP Recklinghausen mit örtlichen Parteigrößen (Nationalzeitung 30.11.1937)
Als „Hochburg des Nationalsozialismus“ mit doppelter Mitgliederzahl galt später die 1922 gegründete Ortsgruppe im damals noch selbständigen Suderwich. Hier war es der Gastwirt Wilhelm Rosenbaum, der nicht nur seine 1920 erworbenen Räume als Parteilokal (Suderwichstr. 191) bereitstellte, sondern auch das finanzielle Rückgrat der zunächst unbedeutenden Partei bildete.
Trotz aller propagandistischer Bemühungen erreichte die NSDAP aber bei den Kommunalwahlen 1929 nur 840 Stimmen, und mit dem 32jährigen Kraftfahrer Paul Faßbach, Kriegswilliger und Freikorpskämpfer, ihren ersten Sitz in der Stadtverordnetenversammlung. Erst mit der publizistischen Unterstützung der deutschnationalen Hugenberg-Presse beim Volksbegehren gegen den Youngplan 1929 und dem Beginn der Weltwirtschaftskrise stieg ihr Wählerpotenzial bei den Reichstagswahlen 1930 auf 4177 (9,5 %), am 31.07.1932 sogar auf 10.966 (23,8 %). Bei der letzten Reichstagswahl am 05.03.1933 lag sie mit 34,1 % fast zehn Prozentpunkte unter dem Reichsdurchschnitt. In Recklinghausen hatte die relative Stabilität von Arbeitermilieu und Katholizismus eine absolute Mehrheit der konservativ-nationalsozialistischen Regierung wie auf Reichsebene (NSDAP: 43,9 %; DNVP: 7,2 %) verhindert. Faßbach stieg in der SA zum Standartenführer (Standarte 143 Recklinghausen), dann Brigade- und Oberführer in Gelsenkirchen auf und wurde Reichstagsabgeordneter. Rosenbaum wurde bereits im Mai 1933 Beigeordneter im Magistrat, ab 1935 Reichstagsabgeordneter und stieg vom NS-Kreisleiter 1936 zum Gauinspektor auf.
Recklinghäuser Zeitung 30.04.1933
[Vgl. 1.1. Der Aufstieg des „Häufleins der Getreuen“ (Suderwichstr. 191), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…“ , Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 10-12]