Aktuelles Recklinghausen

Am Dienstag, 29. April, enthüllte Bürgermeister Christoph Tesche gemeinsam mit Schüler*innen des Marie-Curie-Gymnasiums (MCG) sowie Vertreter*innen der Jüdischen Kultusgemeinde Steine, die an der Kellerstraße an Adele, Fritz, Heinemann und Bertha Wieler erinnern.
Das Ehepaar Fritz Wieler und Adele (geborene Moises) war nach dem Verlust ihrer Wohnung in Dorsten-Wulfen im Juli 1939 nach Recklinghausen gezogen – in die Kellerstraße 21. Dorthin zogen später dann auch Fritz Wielers‘ Eltern Heinemann und Bertha Wieler, die zwischenzeitlich auf dem Oerweg 29 gelebt hatten. 1941 wurde das Haus eines der fünf Gebäude im Stadtgebiet, in denen die verbliebene jüdische Bevölkerung Recklinghausens zwangsweise ghettoisiert worden war. Die Familie Wieler wurde nach Riga deportiert und ermordet. Das Haus an der Kellerstraße ist seit vielen Jahrzehnten nicht mehr existent.
„Die Stolpersteine, die wir heute enthüllen, sind Symbole der Erinnerung an die unschuldigen Opfer der Nazi-Diktatur. Mögen sie uns mahnen, niemals wieder in Stille zu verharren, wenn Unrecht geschieht, und für eine Welt einzustehen, in der Toleranz und Menschlichkeit regieren. Gerade in heutigen Zeiten ist es mir ein besonderes Anliegen, immer wieder zu betonen: In Recklinghausen gibt es keinerlei Platz für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus jeglicher Art“, erklärte Bürgermeister Christoph Tesche im Rahmen der Stolperstein-Verlegung.
In einer Feierstunde vor Ort – maßgeblich vorbereitet vom MCG – trugen die Schüler*innen aus der Biografie der Familie Wieler sowie musikalische Beiträge vor. Im Vorfeld der Enthüllung waren die Schüler*innen von Georg Möllers, dem ehemaligen Sozialdezernenten der Stadt Recklinghausen und Mitglied der AG Stolpersteine, bei der Vorbereitung unterstützt worden. Neben Bürgermeister Tesche sprach auch Isaac Tourgman, der Kantor der Jüdischen Kultusgemeinde.
An der Zeremonie nahmen neben Propst Karl Kemper und Superintendentin Saskia Karpenstein, Vertreter*innen der Arbeitsgruppe Stolpersteine und der Sparkasse Vest auch der Heimatverein der Stadt Dorsten sowie die stellvertretende Dorstener Bürgermeisterin Christel Briefs teil, die eine 120-Euro-Spende überbrachten. Der Heimatverein hatte vorgeschlagen, einen Stolperstein für die in Wulfen geborene Adele Wieler in Recklinghausen zu verlegen. Auch am MCG war gesammelt worden, das Gymnasium spendete zwei der Stolpersteine. Ebenfalls für einen Stein gespendet hatte Mechthild Van Assche. Die ehemalige Recklinghäuserin war zur Enthüllung der Steine extra aus Schwanewede/Niedersachsen angereist und legte am Ende genauso wie viele andere eine Rose neben den Stolpersteinen nieder.
Zum Hintergrund: Initiiert wurde die Verlegung von Stolpersteinen durch den Künstler Gunter Demnig bereits im Jahr 1996. Er erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitiert Gunter Demnig den Talmud. Weitere Informationen gibt es auch online unter www.stolpersteine.de.
In Recklinghausen wurden 2014 auf Initiative von Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen die ersten beiden Stolpersteine vor dem Präsidium am Westerholter Weg verlegt, die an Albert Funk und Hermann Vörding erinnern. Im selben Jahr fasste der Rat der Stadt einen Grundsatzbeschluss, an menschliche Schicksale durch die Erarbeitung ihrer Biografien und der anschließenden Verlegung von Stolpersteinen zu gedenken.
Die Biografien sind im Online-Gedenkbuch der Stadt zu finden. Das Projekt soll auf Jahrzehnte ausgelegt sein und vor allem auch junge Menschen zur Beschäftigung mit konkreten Lebenswegen motivieren. Seit dem Ratsbeschluss vor zehn Jahren wurden jedes Jahr im gesamten Stadtgebiet Stolpersteine enthüllt. Das Gedenkbuch spiegelt die Ergebnisse der langen Auseinandersetzung der Bürger*innen mit der NS-Terrorherrschaft wider.
Foto (Stadt RE): Christoph Tesche (r.) enthüllte zusammen mit Schüler*innen des Marie-Curie-Gymnasiums und (v.l.) Georg Möllers (AG Stolpersteine), Superintendentin Saskia Karpenstein und Issac Tourgman (Kantor der Jüdischen Gemeinde) die Stolpersteine für die Familie Wieler.