Aktuelles Recklinghausen

die gemeinsame Aufklärungs- und Aktivierungskampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“ vorgestellt. Die Botschaft: Kinder und Jugendliche sind vor allem im eigenen Umfeld der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt. Die Stadt Recklinghausen unterstützt die Kampagne.
„Als Kommune ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen unserer Stadt eine besonders wichtige und immerwährende Aufgabe“, betont Dr. Sebastian Sanders, Sozialdezernent der Stadt Recklinghausen. „Ein sicheres und behütetes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ist ein Hauptaugenmerk bei der Arbeit des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie. Aber beispielsweise auch Träger der Kindertagesstätten oder Sportvereine sind mehr und mehr für das Thema der sexualisierten Gewalt sensibilisiert. Diesen Weg müssen wir gemeinsam weitergehen.“
Seit Jahren werden bundesweit konstant tausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Doch das ist nur das polizeiliche Hellfeld, das Dunkelfeld ist ungleich größer. Es wird geschätzt, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind – bei rund drei Viertel der Fälle geschieht das in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld. Von den meisten Menschen wird dieses reale Risiko im eigenen Umfeld allerdings weitgehend verdrängt: 90 Prozent der Bevölkerung halten es zwar für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. 85 Prozent halten es aber für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in der eigenen Familie passiert oder passieren kann, so das Ergebnis einer FORSA-Umfrage im Aufgrat der Unabhängigen Beauftragten.
Bundesfamilienministern Lisa Paus: „Nur, wenn ich den Gedanken zulasse, dass auch Kindern in meinem persönlichen Umfeld sexuelle Gewalt angetan wird, kann ich notfalls handeln. Daher ist unsere zentrale Botschaft: Schieb den Gedanken nicht weg! Wir alle müssen uns bewusst machen, dass Missbrauch nicht nur in Institutionen, sondern in den meisten Fällen im vertrauten Umfeld der Kinder vorkommt. Genau hier setzt die Kampagne an und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf. Ich muss kein Profi sein, um helfen zu können. Aber ich kann und sollte wissen, an wen ich mich wenden kann, wenn ich einen Verdacht habe. Jede und jeder kann etwas tun!“
Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): „Die Vorstellung, dass sexuelle Gewalt woanders stattfindet, dient der eigenen Beruhigung – kann aber blind machen für möglichen Missbrauch im eigenen Umfeld. Wenn wir unsere Kinder besser schützen wollen, dürfen wir diese mögliche Realität nicht wegschieben. Erst, wenn wir diesen Gedanken zulassen, fangen wir an, unsere eigene Hilfslosigkeit zu überwinden. Und das ist der erste, wichtige Schritt. Nur, wer Missbrauch als reale Gefahr erkennt und sich informiert, kann auch wirkungsvoll handeln, wenn es darum geht Kinder und Jugendliche besser vor Missbrauch zu schützen.“
Der Betroffenenrat bei der Unabhängigen Beauftragten: „Diese Kampagne soll Mut machen und dazu auffordern, selbst Verantwortung zu übernehmen und Teil einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit zu werden: Immer da informiert zu handeln, wo Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erleben und erwachsene Betroffene sexualisierte Gewalterfahrungen in der Familie oder anderen Tatkontexten offenlegen. Sexualisierte Gewalt in Familien ist keine Privatangelegenheit, sondern Unrecht. Dieses oft fehlende Unrechtsbewusstsein führt in großen Teilen der Gesellschaft zum Schweigen über den Tatort Familie. Jedoch hat das Umfeld die Verantwortung und vor allem die Möglichkeit, zu helfen und den Betroffenen zur Seite zu stehen.“
Mit kontrastiven, irritierenden Aussagen wie: „Geh nicht mit Fremden mit! – Und wenn es gar kein Fremder ist?“ oder „Mach niemandem die Tür auf! – Und wenn die Gefahr schon drinnen ist?“ stellt die Kampagne gewohnte familiäre Denkmuster in Frage und weist auf die reale Gefahr von sexueller Gewalt im persönlichen Umfeld hin. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, aktiv zu werden, wenn sie Verdacht auf sexuellem Kindesmissbrauch schöpfen.
„Schieb den Gedanken nicht weg!“ ist als mehrjährige Kampagne konzipiert. Neben einer Vielzahl von Informationsmaterialien stärkt die Kampagne lokale Netzwerke und kommunale Initiativen und unterstützt diese mit einem Kampagnenbüro. Durch die Zusammenarbeit von Fachpraxis, Politik und Zivilgesellschaft sollen nachhaltige Bündnisse vor Ort zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt erreicht werden. Auch der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiger Partner, der die Kampagne und die bundesweiten und lokalen Aktivierungsmaßnahmen unterstützt.
Landingpage der Kampagne mit Materialien zum Download und Bestellen sowie zum Pressebereich der Kampagne: www.hilfe-portal-missbrauch.de.
Informationen für eine betroffenensensible Berichterstattung und Hinweise auf Hilfeangebote unter: www.ubskm.de/medienpaket.
FORSA-Befragung sowie weitere Zahlen und Fakten zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen unter: www.beauftragte-missbrauch.de/service/publikationen/zahlen-und-fakten.
Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Das Zitat von Dr. Sebastian Sanders hat die Stadt Recklinghausen beigesteuert.
Grafik-Rechte: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend