„Die Jugend gehört uns, und wir geben sie an niemand ab“ - der totalitäre Anspruch des Regimes, 1935 von Propagandaminister Goebbels beim Gautag in Essen offen propagiert, stieß in den Anfangsjahren noch an Grenzen. Nach der Gleichschaltungswelle 1933 gegen bündische und evangelische Jugend sowie Sportorganisationen war als Konkurrenz zur Hitlerjugend im Schutzraum des Reichskonkordats nur noch die katholische Jugend verblieben, die 1933 in Recklinghausen mit ca. 4000 Mitgliedern in 39 Verbänden fast 50% der organisierten Jugendlichen erfasst hatte. Bereits vor ihrer offiziellen Ernennung zur Staatsjugend am 01.12.1936 erklärte die HJ „im Kampf um die Totalität der Staatsjugend […] mit Leidenschaft und Fanatismus“ gegen „konkordatswidrige Jugendpflegevereine konfessioneller Prägung [… mit] drahtziehenden Dunkelmännern zentrümlicher Herkunft“ zu stehen. Als Reichsjugendführer Baldur von Schirach bei einer Großkundgebung in Essen unter Anspielung auf die katholische Sportorganisation DJK polemisch fragte: „Wisst Ihr, was eine Katholische Bauchwelle ist?“ (NZ, 01.04.1935), war es kaum ein Jahr her, dass Adalbert Probst, der Jugendleiter des katholischen DJK-Jugendsportverbandes auf Reichsebene, im Zuge der „Exekutionswelle“ des sogenannten „Röhm-Putsches“ ermordet worden war.
Romwallfahrt Ostern 1935: Jugendliche im Zeltlager am Stadtrand und am Petersdom (Fotos: Eduard Maierhof, 1915-1945)
Zum Kampf um die totale organisatorische Erfassung der Jugend gehörten einerseits subtile Attraktivitätssteigerungen. So wurden attraktive sportliche Betätigungen, Wanderfahrten, Musikgruppen, einheitliche Kluften und Fahnen nur noch der HJ gestattet. Gleichzeitig trommelte eine massive Propagandamaschinerie für den „Geist der Volksgemeinschaft“ und gegen „konfessionelle Sonderinteressen“, die in dem Aufruf mündete: „Warum stehst Du noch abseits?“
Während die Mitgliederzahlen der Jungen in katholischen Organisationen tatsächlich um 1/3 auf 252.000 (Mai 1934) zurückgegangen waren, stiegen die Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen und die Auflage der Jugendzeitschrift „Junge Front“ (Auflage beim Verbot 1936: 330.000). Sie hatte sich durch das Verteilsystem in den Pfarreien sogar zur größten katholischen Wochenschrift entwickelt. Dazu trugen der Rückhalt in den Gemeinden und der Ideenreichtum bei, wie die „Vereins- und Pfarrkinos“.
Mit ihrer Romwallfahrt mit über 1500 Teilnehmern hatten die Jugendverbände Ostern 1935 vor der Weltöffentlichkeit ihren Anspruch auf Selbstständigkeit spektakulär demonstrieren können. Unmittelbare Schikanen gegen die Rückkehr, wie die Razzien der Busse von Auto Wessels aus Recklinghausen, folgten. Bürgermeister Rottmann entließ beispielsweise die Schulsekretärin des Petrinum und nahm sie gewissermaßen in Sippenhaft, weil ihr Bruder Hermann Lensker Mitorganisator im Bezirk Ruhrgebiet gewesen war. Hans Niermann, der in Rom gewählte neue Leiter der „Sturmscharen“, war gebürtiger Recklinghäuser. Er war bereits 1933 erstmals in „Schutzhaft“ genommen und in das Gestapo-Gefängnis in Recklinghausen gebracht worden. Ständige Überwachungen folgten, am 6. Februar 1936 dann die Inhaftierung bei einer Großaktion gegen 57 katholische Jugendleiter. Er wurde erst im November 1936 freigelassen, andere wegen der angeblichen Zusammenarbeit mit Kommunisten verurteilt.
Schon mit einer „Frühjahrsoffensive der HJ“ hatte Reichsjugendführer Baldur von Schirach 1935 die Stärke der katholischen Jugend kritisiert und drohte: „Jeder Jugendverband außerhalb der HJ verstößt gegen den Geist der Gemeinschaft, der Geist unseres Staates ist.“ Durchgesetzt wurde dies mit immer unverhüllteren Pressionen. Das Personal der Stadtverwaltung hatte systematisch in Fragebögen Rechenschaft über die Zugehörigkeit aller Familienmitglieder zu Vereinen abzulegen, und Schulen wurden zur Organisation und Rekrutierung der Parteijugend funktionalisiert. Während für HJ-Mitglieder der schulfreie Samstag als „Reichsjugendtag“ zur Verfügung stand, mussten sich Nichtorganisierte an ihren Schulen rechtfertigen. Am Jahresende 1935 waren an evangelischen Volksschulen bereits 90% der Kinder, an katholischen 72% in den NS-Organisationen erfasst.
Besonders im Stadtteil Ost eskalierte die Auseinandersetzung zwischen der Liebfrauenschule und der benachbarten Liebfrauengemeinde. In dieser angespannten Situation verpflichtete der Schulrektor alle Schüler zur Teilnahme an der „Sonnenwendfeier“ in der „Kampfbahn Viktoria“ (heutiges Grundstück des Knappschafts-Krankenhauses). Etwa 50 Schüler nahmen an diesem quasi religiösen germanisches Ritual der HJ nicht teil oder wurden von ihren Eltern abgeholt. Der Staat reagierte mit polizeilichen Zwangsgeldern gegen die Elternschaft. Zudem traten nun Schulbehörden, HJ und Gestapo auf den Plan.
Jungschar-Mitglieder am Liebfrauenstift vor Antritt einer Fahrt mit Ludwig Grindel (Pfarrarchiv Liebfrauen)
Die National-Zeitung hetzte gegen die „Sabotage“ und ihre „geistigen Urheber“, die sie in der Jugendarbeit der Gemeinde ausmachte. Hauptziel der Angriffe wurde Ludwig Grindel, einer der engagiertesten Jugendführer der Pfarrei, der bis dahin sogar noch Wanderfahrten mit Jüngeren organisiert hatte. Der Oberprimaner am Gymnasium war bereits in den Monaten zuvor unter den Druck beider Schulleitungen geraten und im Juni 1935 verwarnt worden. Am 20. Juli 1935 wurde Ludwig Grindel aus dem Unterricht heraus verhaftet, der Schule verwiesen und wegen „Schädigung der Volksgemeinschaft“ in das KZ Esterwegen eingeliefert. Grindel war nach der neunmonatigen Haft physisch und psychisch völlig verändert, persönlich gebrochen und aller Zukunftsperspektiven beraubt.
Nachdem die HJ am 1. Dezember 1936 offiziell zur „Staatsjugend“ erklärt worden war, wurden Treffen Jugendlicher außerhalb der HJ zunehmend in die Illegalität gedrängt. Sie fanden in Privatwohnungen oder an vereinbarten Treffpunkten statt. Im Juli 1937 wurden die katholischen „Sturmscharen“ reichsweit verboten, im Oktober 1937 alle katholischen Jugendverbände im Bistum Münster.
[Vgl. 2.20 „Die Jugend gehört uns, und wir geben sie an niemand ab“(Liebfrauenschule), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…", Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 100-102]
„WERBUNG“ für den Eintritt in die Hitlerjugend
Aufruf des „Reichsjugendführers“ Baldur von Schirach, 15. März 1934
„Laut und vernehmlich, klar und eindeutig haben wir im deutschen Volke immer wieder das Ziel des Kampfes verkündet: EINHEIT der JUGEND - EINHEIT DES REICHES !
… Die deutsche Jugend hat ihre Ehre darangesetzt, vor dem Urteil der Geschichte bestehen zu können als Schöpferin der Einheit des Dritten Reiches und als seine Trägerin.
Willst du, katholische Jugend, auf deinem Sonderstandpunkt hartnäckig verharren, willst du im Urteil der Geschichte als verderbliche Kraft gebrandmarkt werden, die an der Einheit des Reiches und der Gestaltung seiner Zukunft Sabotage getrieben hat?... Katholische Jugend! Das Deutsche Volk wartet auf Deinen geschichtlichen Schritt, es wartet auf Deine Tat. Die Millionen unseres Volkes wollen aus deinem Munde hören, warum du dich noch immer nicht zur deutschen Einheit durchringen kannst … .“
Werbeschreiben der Hitlerjugend (Beispiel Wiesbaden 1934)
„Zum letzten Mal wird heute zum Appell geblasen! Die HJ tritt mit der Frage an dich heran: Warum stehst Du noch außerhalb der Reihen der HJ? Wir nehmen doch an, daß du dich zu unserem Führer Adolf Hitler bekennst. Dies kannst du jedoch nur, wenn du dich gleichzeitig zu der von ihm geschaffenen HJ bekennst. Es ist nun an dich die Vertrauensfrage:
Bist du für den Führer und somit die Hitlerjugend, dann unterschreibe die beigelegte Aufnahmeerklärung. Bist du aber nicht gewillt, der HJ beizutreten, dann schreibe uns dies auf der anliegenden Erklärung … . Tue als junger Deutscher deine Pflicht und reihe dich bis zum 31. Mai ein bei der Jungen Garde des Führers …“.
Verfügung der preußischen Polizei, 23. Juli 1935
Allen Jugendorganisationen außerhalb der HJ werden verboten: Sport, Musik, Ausflüge, Zeltlager, Abzeichen, Kluften, Märsche usw. .
Brief eines Schulleiters an die Eltern (Beispiel: Gymnasium Petrinum 2.11.1935)
Aus den mir vorgelegten Übersichten ersehe ich, daß Ihr Sohn sich noch nicht der Staatsjugend angeschlossen hat. Es ist für mich von großer Wichtigkeit zu erfahren, welche Gründe Sie veranlassen, Ihren Jungen von dem Eintritt in die Hitlerjugend zurückzuhalten. Schwierigkeiten kann ich nur lösen, wenn mir die ernsthaften Bedenken der Eltern bekannt sind. Aus zahlreichen Berichten ersehe ich, daß in unserem Bezirk kaum Bedenken aus religiösen Gründen erhoben werden können. Ich bitte Sie daher um eine kurze schriftliche oder mündliche Antwort.
Gesetz über die Hitlerjugend, 1. 12. 1936
Von der Jugend hängt die Zukunft des deutschen Volkes ab. Die gesamte deutsche Jugend muß deshalb auf ihre künftigen Pflichten vorbereitet werden. Die Reichsregierung hat deshalb folgendes Gesetz beschlossen … :
§ 1 Die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist in der Hitlerjugend zusammengefasst.
§ 2 Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geist des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.
„GLEICHSCHALTUNG“ von Schule und HJ am Beispiel einer Recklinghäuser Schule (Gymnasium Petrinum)
März 1933 Zuerst am Polizeipräsidium, das dem preußischen Innenministerium untersteht, dann an anderen Gebäuden erzwingt die NSDAP die Hissung der Hakenkreuzflagge. Schulleiter Dr. Hülsen (Vorsitzender der katholischen Zentrumspartei) am Gymnasium Petrinum weigert sich, muss aber dem Druck der SA weichen.
21. März 1933 Der „Tag von Potsdam“ muss als Nationalfeiertag im ganzen Land mit großen Aufmärschen - auch in den Schulen - gefeiert werden. Am Gymnasium Petrinum beginnen einige wenige Schüler am Ende der Feier mit dem Singen des „Horst-Wessel-Liedes“, der NSDAP-Hymne. Dr. Wilhelm Hülsen beendet daraufhin die Feier. Ein Oberstufenschüler und HJ-Führer denunziert Dr. Hülsen wenige Wochen später brieflich bei Partei und Regierungspräsident als Gegner des Nationalsozialismus und fordert KZ-Haft.
Mai 1933 Der Schulleiter muss das Verbot aus der demokratischen Zeit aufheben, in der Schule Parteiabzeichen zu tragen. Die HJ-Mitglieder tragen Abzeichen.
01.07.1933 Reichsweite Auflösung katholischer Verbände
04.07.1933 Demonstrative Verhaftung eines Priester der St. Paulus-Kirche: „Hetzkaplan Bombitzki wegen Beleidigung der Regierung festgenommen“. Er hatte in einem Gottesdienst gegen Übergriffe auf katholische Jugendverbände und Organisationen protestiert.
20.07.1933 Mit dem Abschluss eines Konkordats mit dem Deutschen Reich versucht der Vatikan, die Religionsfreiheit und die Existenz katholischer Verbände zu sichern.
09.01.1934 Auf Anordnung des Regierungspräsidenten muss an allen Schulen jährlich die Zugehörigkeit der Schüler zu Jugendverbänden auf gesonderten Fragebögen gemeldet werden: Am Petrinum gehören bereits 132 Schüler der Hitler-Jugend (HJ), 90 katholischen, 11 evangelischen Gruppen an. Damit geraten die Schulleiter unter „Erfolgsdruck“.
31.01.1934 Der Schulleiter muss darauf hinweisen, dass nur die HJ- Mitglieder in der Schule die bei Schülern beliebte „Kluft“ tragen dürfen, nicht aber Mitglieder anderer Jugendorganisationen.
März 1934 Vor den Abiturprüfungen werden die Schüler aufgefordert, die Nachweise der HJ-Mitgliedschaft den Unterlagen beizufügen. 22 Schüler des Abiturjahrgangs treten daraufhin der HJ bei.
Ostern 1934 Bei den Abiturprüfungen erhalten ausgerechnet die beiden besten Schüler Hans Werners und Ferdinand Kolbe auf Druck der Bezirksregierung nicht die „Besondere Hochschulreife“, die das Studium an einer Universität erlaubte. Die Schule hatte sie sogar für Stipendien vorgeschlagen. Außerdem hatten beide auch eine weitere Forderung, nämlich gute Sportler zu sein, mit Spitzennoten erfüllt. Als Mitgliedern katholischer Sport- bzw. Jugendorganisation wurde ihnen aber die „nationale Zuverlässigkeit“ aberkannt.
02.05.1934 Der Schulleiter muss in einem Rundschreiben darauf hinweisen, dass nur HJ-Mitglieder in der Schule ihr Abzeichen tragen dürfen, nicht Mitglieder anderer Verbände.
24.06.1934 Schulleiter Dr. Wilhelm Hülsen wird nach monatelangen Untersuchungen seines Amtes enthoben, weil er die nationalsozialistische Erziehung nicht voran trieb.
26.06.1934 Schulstatistik Petrinum: 165 (von 299) Schülern sind in der HJ, 102 in katholischen Gruppen
30.06.1934 Zu den Mordopfern des sogenannten „Röhm-Putsches“ gehört neben Dr. Erich Klausener, Leiter der Katholischen Aktion Berlin (ehemals Landrat in Recklinghausen) auch Adalbert Probst, der Leiter der katholischen Jugend-Sportorganisation DJK.
30.07.1934 Durch Erlass des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung erhalten alle Mitglied von HJ und BdM für ihre Veranstaltungen samstags schulfrei. Die Nicht-Mitglieder haben zur nationalpolitischen Unterweisung und zum Unterricht in der Schule zu erscheinen.
21.11.1934 Das NSDAP-Mitglied Wenner übernimmt die Schulleitung.
31.12.1934 57% (169 Schüler) gehören zur HJ; 98 zu katholischen, 2 zu evangelischen Verbänden; 13 gehören keinem Verband an.
30.03.1935 Reichsjugendführer von Schirach erklärt bei Beginn der „Frühjahresoffensive der HJ“ in Essen: „Jeder Jugendverband außerhalb der HJ verstößt gegen den Geist der Gemeinschaft.“
April 1935 Oster-Wallfahrt der katholischen „Sturmscharen“ mit 1570 Teilnehmern nach Rom. Empfang durch Pius XI. Als Nachfolger des Reichsleiters Steber wird Hans Niermann, ein gebürtiger Recklinghäuser gewählt. Aus Recklinghausen sind Busse der Firma Wessels dabei. Bei der Rückfahrt werden an der deutschen Grenze Kluften und Banner beschlagnahmt und Jugendliche verhaftet.
Ostern 1935 Bei den Abiturprüfungen ändert die Staatliche Prüfungskommission in drei Fächern die Noten, die ein Schüler von den Lehrern erhalten hatte. Deshalb fällt Ludwig Grindel durch und muss die Klasse wiederholen. Er ist in seiner Pfarrei Liebfrauen als Jugendleiter aktiv und bei den Jugendlichen sehr beliebt und angesehen.
16.05.1935 Johanna Lensker wird auf Druck von Bürgermeister Rottmann (NSDAP) als Schreibhilfe der Schule mit der Begründung entlassen, dass sie sich als Mitglied der katholischen Jugend „den Einigungsbestrebungen in der Staatsjugend entzieht.“ Ihr Bruder Hermann gehörte zu Organisatoren der Rom-Fahrt in Recklinghausen.
Juni 1935 Der Rektor der Liebfrauenschule im Stadtteil Ost beschwert sich bei Stadtschulrat und dem Leiter des Petrinum über den Einfluss der Jugendarbeit der Kirchengemeinde Liebfrauen und insbesondere über den Jugendleiter Ludwig Grindel.
18.06.1935 Schulleiter Wenner verwarnt daraufhin Ludwig Grindel und fordert dessen Vater schriftlich auf, „seinem Sohn jegliche Betätigung in der Jungschar [zu] untersagen.“
23.06.1935 An der Liebfrauenschule in Ost kommt es zum Konflikt, weil ein Teil der Eltern und Schüler nicht an der HJ-Feier zur „Sommersonnenwende“ teilnimmt. Rektor der Liebfrauenschule, HJ und die die NSDAP- „Nationalzeitung“ machen den Jugendkaplan und den Jugendleiter Ludwig Grindel dafür verantwortlich. In den „Fall“ schalten sich u.a. Gestapo, Bezirksregierung, Partei und Bürgermeister ein.
07.07.1935 Reichsinnenminister Frick fordert die „völlige Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“.
09.07.1935 Hartmann Lauterbach, stellv. Reichsjugendführer, kündigt beim Besuch des HJ-Bannes Vest in Recklinghausen den Kampf „um die Totalität der Staatsjugend“ gegen die „Schwarze Reaktion“ und die „konkordatswidrige Betätigung der zentrümlichen Dunkelmänner und ihrer Trabanten“ an.
20.07.1935 Gestapo-Beamte verhaften Ludwig Grindel während des Unterrichts am Gymnasium Petrinum. Wochenlang ist sein Verbleib Freunden und Familie unbekannt. Der Vater nimmt sich Urlaub, um ihn zu suchen. Bis März 1936 ist er im KZ Esterwegen in Haft.
23.07.1935 Polizei-Verbote für alle noch existierenden Jugendverbände außerhalb der HJ; untersagt werden Sport, Zeltlager, Wanderfahrten, Musik, Uniformen oder gleiche Kleidungsstücke, Märsche, Abzeichen.
29.07.1935 Schulleiter Wenner teilt Herrn Grindel mit, dass sein Sohn Ludwig wegen Störung des Schulfriedens von der Schule verwiesen wird.
31.07.1935 Im Zuge der „Entkonfessionalisierungskampagne“ ordnet Bürgermeister Eppmann an, dass alle Mitglieder der Stadtverwaltung in Fragebögen die eigene Zugehörigkeit und die aller Familienmitglieder in Verbänden anzugeben haben. Danach wird Druck ausgeübt, Kinder und Jugendliche aus kirchlichen Verbänden abzumelden.
August 1935 Der Schulleiter des Petrinum droht einem Schüler der katholischen Schülergruppe „Neudeutschland“ unter Hinweis auf Ludwig Grindel, „er gehe den gleichen Weg“.
September 1935 Nach den Sommerferien wird Rektor Harten, Leiter der Paulusschule abgesetzt. Kaplan Wewel (St. Paulus) wird die Erteilung des Religionsunterrichts im gesamten Regierungsbezirk Münster verboten. Ursache der Sanktionen ist ein Konflikt mit der HJ.
21.09.1935 Die katholische Schülergruppe „Neudeutschland“ in Recklinghausen löst sich „freiwillig auf“ (Heimliche Treffen gab es noch bis 1937.).
28.09.1935 Schulleiter Wenner teilt dem Regierungspräsidenten stolz mit, dass seit Juli 1935 die Mitgliedschaft der Schülerschaft in der HJ von 51% auf 72% gestiegen sei.
02.11.1935 Schulleiter Wenner setzt die Eltern unter Druck: In einem Brief fordert er die Eltern aller Nichtmitglieder per Brief auf, den HJ-Beitritt ihrer Kinder nicht zu behindern oder ihm Gründe zu nennen.
29.04.1936 Der Schulleiter des Petrinum beantragt stolz die Verleihung der „HJ-Fahne“ angesichts der 100%-Mitgliedschaft der Schüler in der Hitlerjugend.
05.02.1936 Verhaftung von Prälat Wolker und 57 Leitern der katholischen Jugend, darunter Hans Niermann. Prozesse vor dem Volksgerichtshof.
01.11.1936 Völliges Publikationsverbot für die katholische Jugend und endgültiges Verbot der 1932 gegründeten, mehrfach verbotenen erfolgreichen Wochenzeitung „Junge Front Michael“.
01.12.1936 Das „Gesetz über die Hitlerjugend“ macht den Verband zur Staatsjugend für die „gesamte Jugend innerhalb des Reichsgebietes“.
23.07.1937 In der auf allen Kanzeln verlesenen Enzyklika „Mit brennender Sorge“ kritisiert Papst Pius XI. u.a. die dauernden Vertragsverletzungen und Übergriffe des NS-Regimes.
27.10.1937 Verbot der noch existierenden katholischen Jugendverbände im Regierungsbezirk Münster
(Georg Möllers)