2.17 Vorbereitung zum Krieg: Vormilitärischer Drill

Der Sportplatz „Lange Wanne“ lag während der NS-Zeit in der Nähe der Abraumhalden der Zeche General Blumenthal  (Schacht III/IV) unweit des Oerwegs. Der Sportplatz wurde 1934 angelegt und nach dem Gründer der ersten NSDAP-Gruppe „SA-Sportplatz Josef Kleine“ benannt. Lange Zeit galt er als sportliche „Vorzeigeanlage“ der Partei; hier sollte sogar eine „Führervorschule“ der SA-Standarte 143 eingerichtet werden. Immerhin fand hier im Jahre 1935 ein Reichswettkampf der SA statt. Bei dieser Gelegenheit „Zeigten die braunen Kämpfer der SA ihre Einsatzbereitschaft und militärische Verwendbarkeit. Neben den klassischen Leichtathletikdisziplinen standen u.a. ein 10-km-Gepäckmarsch und Kleinkaliberschießen auf dem Programm.“

Priorität besaß während der NS-Zeit der Jugendsport. Ihn instrumentalisierte die Partei in raffinierter Weise zur Durchsetzung ihrer Erziehungsziele im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung: Jugendsport bedeutete vormilitärischer Drill und paramilitärische Ausbildung. Nicht von ungefähr gab Adolf Hitler damals die Losung aus: „Deutsche Jungen sind zäh wie Leder, hart wie Krupp-Stahl und schnell wie die Windhunde“; deutsche Jungen und deutsche Mädchen sollten „abgehärtet“, „gestählt“ und „ertüchtigt“ werden; sie sollten „kämpfen“ und „gewinnen“ lernen. Der Sport nahm deswegen bei der Hitlerjugend (HJ) einen breiten Raum ein. Auf den Sportplätzen traten Jungen und Mädchen in Reih und Glied an, um anschließend für das HJ- oder BDM-Abzeichen zu kämpfen; 10jährige Kinder machten die „Jungmädchen-„ und die „Pimpfen“-Probe. HJ-Führer stellten sich dem Unterführerfünfkampf bzw. dem Führerzehnkampf.

Aufmärsche, Antreten im Gelände (National-Zeitung 09.05.1935)Aufmärsche, Antreten im Gelände (National-Zeitung 09.05.1935)

Der Recklinghäuser Helmut Geck (Jg. 1931) erinnert sich: „Als ich mit 10 Jahren in das `Fähnlein 15`des `Deutschen Jungvolks“ (DJ) als Pimpf eingegliedert wurde, standen im Mittelpunkt unserer Schulungsveranstaltungen nicht nur der sog. Ordnungsdienst und die nationalpolitische Erziehung im Sinne der NS-Ideologie, sondern auch der Sport. Sport trieben wir v.a. im HJ-Heim und auf dem Sportplatz am Bruchweg. Im HJ-Heim wurde geboxt. Da jeder mitmachen musste, lernte auch jeder von uns im Kampf mit dem Gegner kennen, was `kämpfen“, `verlieren“ und `siegen` bedeutete. Der Boxsport war für die Nationalsozialisten der Kampfsport schlechthin. Nicht von ungefähr hatte schon Adolf Hitler in seinem Buch `Mein Kampf` geschrieben: `Es gibt keinen Sport, der wie dieser den Angriffsgeist in gleichem Maße fördert, blitzschnelle Entschlusskraft verlangt, den Körper zu stählerner Geschmeidigkeit erzieht.` Wenn wir boxten, setzte sich – über Boxtechniken verfügte keiner von uns – der Stärkere gegenüber dem Schwächeren durch. Wer häufig verlor, galt bald als `Schwächling`.

Die Begründung dafür, daß jeder deutsche Junge in der Hitler-Jugend Sport treiben musste, lautete: Sport ist gesund und trägt zur körperlichen Ertüchtigung bei. Wir erlagen damals dem Irrglauben, dass diese Begründung ehrlich gemeint war […]. Heute weiß ich, dass in der NS-Zeit die extreme Förderung des Sports – auch in der Schule besaß der Sportunterricht einen ganz hohen Stellenwert – in Wirklichkeit auf einem menschenverachtenden, biologistischen und sozialdarwinistischen Menschenbild beruhte. Denn nicht von ungefähr wurde in der der NS-Weltanschauung der Grundsatz vertreten: Es ist ein Naturgesetz, dass auch unter den Menschen der Starke über den Schwachen siegt und herrscht. Der Schwache hat in einem „gesunden Volkskörper“ letztlich kein Lebensrecht; auf jeden Fall hat er sich dem Stärkeren unterzuordnen. Die Deutschen sind Siegertypen und deswegen mit Recht Repräsentanten einer  `Herrenrasse`. Deshalb förderte der HJ-Sport Ausleseprozesse, die den Sieger glorifizierten. `Siegen lernen` lautete die Parole.

Auf dem Sportplatz am Bruchweg machten wir […] die sog. `Pimpfenprobe`: […] ein 60m-Lauf in 12 Sekunden, ein Schlagballwurf von 25 Metern und ein Weitsprung von 2,75 Metern. Die Älteren von uns erhielten geradezu eine vormilitärische Ausbildung. Der Sportplatz am Bruchweg war dazu besonders geeignet, weil er eine Hindernislaufbahn, einen Stolperdraht, ein Kriechgitter und eine Eskaladier-Kletterwand besaß und damit den Charakter einer Wehrsportanlage hatte.

Beliebter als die leichtathletischen Übungen waren die Geländespiele, die nicht selten in der Haard durchgeführt wurden. Bei diesen Spielen mussten sich die Mitglieder mehrerer zuvor gebildeter Gruppen auf einem ihnen unbekannten Terrain sowie auf getrennten Wegen  mit Hilfe von Karten und Kompass möglichst schnell zum festgelegten Zielort durchschlagen. Der Weg zu diesem Zielort war mit Hindernissen gespickt. Man musste sich z.B. durch dichtes Unterholz zwängen, eine Waldlichtung im Sprint überqueren, über Gräben und Rinnsale springen und auf Bäume klettern, um von oben die nächste Wegmarkierung erspähen zu können. […]

Diesen Sport trieben wir gern; und wir glaubten auch, dass er unserer körperlichen Ertüchtigungdienste. Uns war dabei allerdings nicht klar, dass diese friedlichen Geländespiele in der Haard, die unsere kindliche Abenteuerlust befriedigten, in Wirklichkeit der Vorbereitung auf den Kriegsdienst dienten. Denn als die älteren Hitlerjungen während des Krieges mit 16 Jahren Flak-Helfer werden „durften“, um bald darauf auch als Soldaten an der Front zu stehen, konnten sie dort `praktizieren`, was sie in der Hitler-Jugend gelernt hatten. Sie mussten hier zum Sturmangriff antreten, über Panzergräben springen und Handgranaten werfen. Der vormilitärische Drill in der HJ bewährte sich jetzt. Aber zu welchem Preis!“

[Vgl. 2.18   „Siegen lernen“. Vormilitärischer Drill in der Hitlerjugend, in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…", Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 95-97]

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