Am 24. September 1934 wurde die neu erbaute Pfarrkirche St. Elisabeth im Nordviertel konsekriert und der Hl. Elisabeth von Thüringen geweiht. Dazu war am Tag zuvor Clemens August Graf von Galen, seit 1933 Bischof von Münster, in die Stadt gekommen. Der konservative Westfale schien zunächst ein Garant für ein konfliktfreies Miteinander von Kirche und neuem Staat zu sein. Hatte er doch bei der ersten Volksabstimmung im November 1933 zur Stimmabgabe als „vaterländischer Pflicht“ aufgerufen. Bereits der Osterhirtenbrief 1934 mit seiner Anklage gegen diejenigen, „die von der Sittlichkeit erklären, sie gelte nur insofern für das Volk, als sie die Rasse fördere“, und gegen die Überordnung von „Rasse“ und „Blut“ über das „moralische Gesetz im Menschen“ wurde parteiintern als „Haß gegen den Nationalsozialismus“ und kaum getarnter Angriff auf die NS-Ideologie selbst verstanden.
Galens offensive Haltung gegen das germanisch-rassistische Pamphlet „Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg, des von Hitler ernannten NS-Reichsschulungsleiters, hatte ihn bei den bekenntnistreuen Katholiken rasch populär gemacht. Nach der Begrüßung zu seinem Antrittsbesuch, zu der traditionell auch der Oberbürgermeister am Lohtor erschienen war, nutzte Galen die anschließende Predigt vor St. Peter erneut zum Protest gegen die Verbreitung dieser „neuheidnischen Irrlehrer“ in „Schulen, Lehrerkreisen, in Führerkursen und beim Arbeitsdienst“, wobei er demonstrativ aus dem beschlagnahmten Hirtenbrief der Bischöfe vom 07. Juni 1934 zitierte. Der monatelange Konflikt im Bistum gipfelte später in Rosenbergs Auftritt auf dem NS-Gauparteitag in Münster im Juli 1935, bei dem sich die gesamte NS-, SA- und DAF-Prominenz angesichts des „brennenden Interesses“ der „deutschen Öffentlichkeit“ zur „unmissverständlichen Abfuhr“ gegen den Bischof versammelte. Galen und die Bevölkerung reagierten mit einer Art katholischer „Gegenkundgebung“ mit 20.000 Teilnehmern anlässlich der traditionellen „Großen Prozession“, so dass die Gauparteitage 1936 - 1938 nach Gelsenkirchen verlegt wurden.
Die von Propst Heiermann 1934 zur Begrüßung beschworene „heilige Begeisterung“, das Phänomen religiöser Massenmobilisierung bei Auftritten des Bischofs wurde auch in Recklinghausen im „Treuebekenntnis der Zehntausend“ (RVZ 24.09.1934) unüberseh- und unüberhörbar: „Treu deutsch sind wir, wir sind auch treu katholisch“. Dieser häufig zitierte Kernsatz der Recklinghäuser Rede verdeutlichte zugleich kirchliches Selbstverständnis und die künftigen Konfliktlinien zum totalitären Staat: Gehörte demonstrativer Patriotismus seit dem Vorwurf der Reichsfeindlichkeit im preußischen Kulturkampf mit zum Grundrepertoire der katholischen Minderheit in Deutschland, so galt die prinzipielle Loyalität zur „obrigkeitlichen Gewalt“ als Grundpfeiler christlicher Staatsphilosophie. Von gleicher Bedeutung war aber Galens Einforderung der Selbstbewahrung des katholischen Glaubens. Allein dieser Anspruch auf Selbstständigkeit der Kirche unter Einschluss ihres gesellschaftlichen Engagements musste in Widerspruch zur „nationalsozialistischen Totalität im Staate“ (National-Zeitung 25.09.1933) geraten, so dass diese NS-Zeitung in der Stadt deshalb Galens Protest gegen die „Zurücksetzung treuester Katholiken und die Knebelung der christlichen Vereine“ auch sofort zurückwies.
Zum katholischen Selbstverständnis gehörte für Galen aber auch der Einsatz für die Grundsätze einer Universalethik, die er in Gott gegründet sah.
Wie er die Kirchweihe im Nordviertel dazu nutzte, um ostentativ am Beispiel der ungarischen Königstochter Elisabeth den Vorrang „christlich deutscher Erziehung“ vor „zweitrangigen Blutwerten“ zu betonen, so wandte er sich damit unausgesprochen gegen den Grundsatz im NS-Parteiprogramm vom „Sittlichkeitsgefühl der germanischen Rasse“.
Bischof Galen 1934 bei der Weihe von St. Elisabeth (Pfarrarchiv St. Elisabeth)
Galen gehörte innerhalb der Bischofskonferenz zu den Protagonisten des Protestes und der Mobilisierung zumindest der kirchlich erreichbaren Öffentlichkeit. Deshalb hatte Papst Pius XI. auch ihn zur Vorbereitung seiner anklagenden Enzyklika „Mit brennender Sorge“ 1937 nach Rom eingeladen.
Im Juli/August 1941, auf dem Höhepunkt militärischer Siegesmeldungen, trat Galen in öffentlichen Predigten gegen „Gestapoterror“ und die Tötung sogenannter „unproduktiver Mitmenschen“ auf. Die Häufung von Nachrichten über die Verlegung und den plötzlichen Tod psychisch Kranker hatte Galen zu Strafanzeigen wegen Mordes und zur öffentlichen Anklage in drei Predigten geführt. Die Wirkungsgeschichte dieser handschriftlich oder auf Schreibmaschinen abgeschriebenen und weiter verbreiteten Demaskierung des Terrorregimes war singulär und konfessionsübergreifend. Hatte Galen als Beispiel willkürlicher Verhaftungen auf den BK-Pfarrer Niemöller verwiesen, so wurde der katholische Protest nun vor Ort auch beim „evangelischen Prediger und der Gemeindeschwester“ weiterverbreitet. Auch in Recklinghausen engagierten sich Menschen, die heimlich die Predigten abschrieben und weiter verbreiteten. Maria Bachem u.a. wurden deshalb verhaftet. Die durch Bischof von Galen erreichte öffentliche Durchbrechung der Geheimhaltung führte 1941 zum Stopp des systematischen, zentral gesteuerten NS-Euthanasieprogramms, nicht aber zu Geheimtötungen auf örtlicher Ebene in den einzelnen Einrichtungen durch Medikamentenzufuhr oder Nahrungsentzug.
Im berühmt gewordenen Bild von „Amboß“ und „Hammer“ fasste er in der Predigt vom 20.07.1941 sein Verständnis des Verhältnisses Kirche und Staat zusammen: Unter den „Hammerschlägen der Glaubensfeindlichkeit“ galt es, als „zäher, fester, unerschütterlicher Amboß“ standzuhalten, so die Entwicklung mitzuformen und vor allem „länger als der Hammer“ zu halten.
[Vgl. 2.23 „Treu deutsch - und treu katholisch“, in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…" Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 109-111]