1.13 Die Verfolgung von SPD und ADGB

An der Herner Straße 39 befand sich der Sitz der SPD und der Freien Gewerkschaften in Recklinghausen, das sogenannte Volkshaus. Ihm schloss sich nach hinten ein großer Versammlungsraum an. Die Führungen der SPD und der Freien Gewerkschaften waren seit dem Staatsstreich gegen die preußische Regierung 1932 nicht in der Lage, eine tragfähige Strategie zur Verhinderung der drohenden Diktatur zu entwickeln. Selbst nach der Machtübernahme Hitlers wurde auch von den unteren Gliederungen von Partei und Gewerkschaften das Ausmaß der Gefahr verkannt.

Volksfreund-Titelseite, Volksfreund, 2. Februar 1933Volksfreund-Titelseite

Im Volkshaus hielt der Vorsitzende der Recklinghäuser SPD, Clemens Leßmann, am 4. Februar 1933 die letzte Jahresversammlung des Ortsverbandes ab. Er erteilte jeder Aktionseinheit mit der KPD eine Absage: „Mit einer Partei, die in uns den „Hauptfeind“ sieht, der vernichtet werden muss, (…) kann es eine Kampfgemeinschaft nicht geben.“ In seinem Referat spielte die Machtübernahme Hitlers kaum eine Rolle. Am 19. Februar fand im großen Saal des Volkshauses, die letzte Frauenversammlung der SPD statt. Vor Beginn des Referats „Die Frau im Kampf für die Freiheit und das Recht“, so berichtet der „Volksfreund“, „sorgte die sozialdemokratische Arbeiterjugend durch einen imponierenden Fahnenaufmarsch, der unter dem Gesang der Internationale erfolgte, für rechte Kampf- und Weihestimmung.“

Zur gleichen Zeit, am 18. Februar 1933 forderte der Höhere Polizeiführer West im Recklinghäuser Polizeipräsidium, Polizei-Oberst Stieler von Heydekampf, von den zuständigen Polizeibehörden des Landkreises Listen der „Führer der freien Gewerkschaften. Die Listen enthalten die Namen nebst Decknamen und Wohnung (auch gegebenenfalls Ausweichquartiere). Ergänzungen und Änderungen sind laufend nachzureichen.“ Die Verfolgungen liefen auch Hochtouren. Der neue staatliche Terrorapparat wartete allerdings zunächst noch die Wahlen vom 12. März ab, obwohl sich die Kommunisten bereits in der Illegalität befanden.

Die letzte Ausgabe der sozialdemokratischen Zeitung „Volksfreund“, die Redaktion befand sich an der Herner Straße 17, erschien am 27. Februar. Dort beschlagnahmten bereits am 18. Februar Recklinghäuser Kriminalbeamte die satirische Zeitschrift „Der wahre Jakob“ aufgrund der „Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes“, da in ihr angeblich der Reichspräsident verunglimpft worden war.

National-Zeitung, 3. Mai 1933National-Zeitung, 3. Mai 1933

Am 2. Mai besetzten SA-Leute die Gewerkschaftshäuser, also auch das Volkshaus. Die Gewerkschaftssekretäre SchlemmerOtto und Schade wurden in „Schutzhaft“ genommen.

Am 22. Juni wurde die SPD verboten. Das „Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ besagte: „Die Vorschriften des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1993 finden auf Sachen und Rechte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und ihrer Hilfs- und Ersatzorganisationen … Anwendung“. Die Räume, Mobiliar und Ausstattung des Volkshauses wurden von der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) übernommen. Bis in die unteren Parteigliederungen verhaftete die Gestapo aktive und bekannte Sozialdemokraten wie im Ortsverein Suderwich, wo Theodor Charlé und Heinrich Schlutt in „Schutzhaft“ genommen und anschließend in Konzentrationslagerhaft überführt wurden. Viele führende Recklinghäuser Sozialdemokraten wurden wegen illegaler Parteiarbeit verfolgt und verhaftet.

August Kastner (1899 - 1978), der nach dem Krieg mit Paul Rhode die SPD reorganisierte, wurde am 17. Februar 1936 wegen Verbreitung illegaler Schriften verhaftet. Er schrieb: „Das Urteil des Volksgerichtshofes Berlin in dem Verfahren, das gegen mich eingeleitet worden war, lautete auf vier Jahre Zuchthaus und vier Jahre Ehrverlust wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“. In späteren Jahren ging man nicht mehr so glimpflich mit politischen Gegnern um. Aus meiner Familie wurden damals weiter verurteilt: 1. Mein Bruder Franz Kastner zu drei Jahren Zuchthaus; 2. Mein Schwager Paul Völkel zu drei Jahren und neun Monaten Zuchthaus; 3. Meine Schwiegermutter Käthe Schulze zu drei Wochen Gefängnis. Mein Schwager Oswald Schulz saß drei Monate in Untersuchungshaft. Stationen meiner Haft waren die Leitstelle der Geheimen Staatspolizei Recklinghausens, die Untersuchungsgefängnisse Essen und Berlin-Moabit, das Gefängnis des Volksgerichtshofes, die Zuchthäuser Plötzensee und Herford, die Arbeitskommandos Espeln und Wiedenbrück. In das Verfahren gegen mich wurden mehr als fünfzig Genossinnen und Genossen verwickelt. Alle wurden zu mehr oder weniger hohen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt.“

[Vgl. 1.11. „…in 14 Tagen wird aufgeräumt…“ Die Verfolgung von SPD und Freien Gewerkschaften (Herner Str. 39), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…“ , Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 38-41]

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